Was geschah am 05.12. im Jahr ...

1945

Unter dem Vorsitz des katholischen Bischofs von Berlin, Konrad Graf von Preysing, befaßt sich eine Konferenz von Bischöfen mit den dringlichen Aufgaben, die der Kirche durch die Umsiedlung von Millionen aus den polnisch und sowjetisch verwalteten deutschen Ostgebieten entstanden sind. Unter den Konferenzteilnehmern befinden sich der Erzbischof von Paderborn Dr. Lorenz Jäger, der Bischof von Ermland Maximilian Keller, der Kommissar der Fuldaer Bischofskonferenz, Bischof Heinrich Wienken, und Generalvikar Prälat Dr. Maximilian Prange.

1946

Die Gesetze Nr. 41 und Nr. 42 des Kontrollrats vom 30. November 1946 treten mit ihrer Verkündung für Deutschland in Kraft.
Das Gesetz Nr. 41 ändert das Gesetz Nr. 26 über die Tabaksteuer. Die Steuern für Zigarren und Zigaretten werden auf den Betrag bis zu 80 Prozent des Kleinverkaufspreises festgesetzt. Auch für andere Tabaksorten und für den Tabakanbau werden die Steuern erhöht.
Das Gesetz Nr. 42 setzt die Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Gewinnabführung neu fest.

(3.) Ordentliche Sitzung der Stadtverordnetenversammlung von Groß-Berlin.
Die Versammlung wählt den Verfassungsausschuß, den Ausschuß für Eingaben und Beschwerden, den Ausschuß für Personalfragen, den Ausschuß für Grundstücke und den Wirtschaftspolitischen Ausschuß.
Die Versammlung wählt auf Antrag der SPD-Fraktion Dr. Otto Ostrowski (SPD) zum Oberbürgermeister, auf Antrag der CDU-Fraktion Dr. Ferdinand Friedensburg (CDU) zum Ersten Bürgermeister, auf Antrag der SED-Fraktion Dr. Heinrich Acker (SED) zum Zweiten Bürgermeister, auf Antrag der SPD-Fraktion Frau Louise Schroeder (SPD) zum Dritten Bürgermeister.
Die Versammlung wählt zu hauptamtlich besoldeten Mitgliedern des Magistrats mit der Dienstbezeichnung "Stadtrat", zum Leiter der Abteilung für Personalfragen und Verwaltung: Otto Theuner (SPD), Abteilung für Jugendfragen: Erna Maraun (SPD), Abteilung für Arbeit :Waldemar Schmidt (SED), Abteilung für Verkehr und Versorgungsbetriebe: Ernst Reuter (SPD), Abteilung für Städtische Betriebe: Erich Lübbe (SED), Abteilung für Ernährung: Paul Fuellsack (SPD), Abteilung für Wirtschaft: Gustav Klingelhöfer(SPD), Abteilung für Bau- und Wohnungswesen: Karl Bonatz (SPD), Abteilung für Recht: Dr. Friedrich Haas (CDU), Abteilung für Volksbildung und Kunst: Dr. Siegfried Nestriepke (SPD), Abteilung für Gesundheitswesen: Dr. Dr. Bruno Harms (LDP), Abteilung für Post- und Fernmeldewesen: Karl Delius (LDP), Abteilung Kämmerei: Dr. Otto Ernst (CDU), Abteilung Sozialamt: Frau Margarete Ehlert (CDU).
Die Besetzung der Abteilung für Finanzen wird auf die nächste Stadtverordnetensitzung vertagt.
Der Stadtverordnetenvorsteher Dr. Otto Suhr vereidigt den neuen Magistrat gemäß Artikel 9 der Vorläufigen Verfassung von Groß-Berlin und begrüßt ihn als rechtmäßige Regierung von Berlin.
Der neugewählte Oberbürgermeister Dr. Otto Ostrowski (SPD) legt in persönlichen Erklärungen ein Bekenntnis zur Demokratie und zum Sozialismus ab.
Die Sitzung steht im Zeichen einer starken Opposition der SED gegen die von den übrigen Parteien vorgeschlagene Besetzung der Abteilungen Post- und Fernmeldewesen, Kämmerei, Finanzen und Soziales.

1947

Die britische Militärregierung gibt den Abschluß eines mit der sowjetischen Militärregierung getroffenen Energieabkommens für Groß-Berlin bekannt. Danach liefert die britische Besatzungszone Steinkohle und Koks, die sowjetische Besatzungszone Braunkohlenbriketts und elektrischen Strom. Die Verteilung soll auf Grund der Einwohnerzahl der einzelnen Sektoren erfolgen.

Der Rat der Bezirksbürgermeister bittet auf seiner Sitzung den Magistrat, die Alliierte Kommandantur zu einer allgemeinen Regelung über die Zuzugsgenehmigung ohne Kopftausch bei Heiraten innerhalb von Groß-Berlin zu veranlassen.

Auf einer vom Studentenrat der Berliner Universität einberufenen Versammlung geben der Vorsitzende Dr. Plechl und sein Amtsvorgänger cand. med. Petermann vor über 800 Studenten einen Rechenschaftsbericht. In der anschließenden sehr erregten Diskussion besonders über den Antrag zur Teilnahme am Volkskongreß verlassen der Studentenrat und der größte Teil der Studenten die Versammlung. Die zürückbleibenden Teilnehmer, die meist der SED angehören, wählen zwei Delegierte zum Volkskongreß.

Die Freie Volksbühne der Westsektoren beginnt mit ihren planmäßigen Theatervorstellungen. Als erstes Werk gelangt die Oper "Aida" von Verdi in der Städtischen Oper zur Aufführung.

1948

Die ursprünglich für den 14. November vorgesehenen Wahlen zur Stadtverordnetenversammlung (vgl. Schriftenr. Bln. Zeitgesch., Bd. 2, 6.9.1948) können wegen des Widerstandes der sowjetischen Zentralkommandantur und des am 30. November gebildeten Magistrats des sowjetischen Sektors nur in den westlichen Sektoren stattfinden. Die Wahlvorbereitungen und die Durchführung der Wahl selbst bereiteten wegen der politischen Entwicklung der letzten Monate in Berlin ungewöhnliche Schwierigkeiten.
In dem Bewußtsein, daß bei dieser Wahl das Schicksal der Stadt auf dem Spiele steht, verzichteten die drei demokratischen Parteien im Wahlkampf weitgehend auf interne parteipolitische Auseinandersetzungen und konzentrierten sich auf die allen Berlinern gemeinsam gestellte Aufgabe, mit dieser Wahl ein Bekenntnis für die freiheitliche Staatsordnung abzulegen.
Der Wahltag beginnt mit einer kurzen Verkehrsstillegung bis 10 Uhr, um allen Bewohnern der Westsektoren, die im sowjetischen Sektor arbeiten, Gelegenheit zu geben, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen, denn die Behörden im sowjetischen Sektor und die kommunistischen Organisationen führen einen sogenannten "Aufbau"-Sonntag durch, an dem die Bevölkerung "freiwillig" bei der Trümmerbeseitigung teilnehmen soll.
Trotz der widrigen materiellen Umstände durch die Blockade und der ständig wiederholten Aufforderungen der Parteien und sogenannten demokratischen Massenorganisationen des sowjetischen Sektors, sich nicht an der Wahl zu beteiligen, geht die überwiegende Mehrheit aller Wahlberechtigten an die Wahlurnen. Die Bevölkerung gibt damit die Antwort auf die kommunistischen Drohungen und vor allem auf die erzwungene Blockade und die Spaltung der Stadt.

Wahlbeteiligung: 86,3 Prozent
Wahlberechtigte: 1 586 461
Abgegebene Stimmen: 1 369 492
Gültige Stimmen: 1 331 270
Ungültige Stimmen: 38 222 = 119 Sitze

Gesamtergebnis - Stadtverordnetenversammlung:
SPD: 858 461 = 64,5 Prozent = 76 Sitze
CDU: 258 664 = 19,4 Prozent = 26 Sitze
LDP: 214 145 = 16,1 Prozent = 17 Sitze

Verteilung der Mandate in den Bezirksverordnetenversammlungen:
Verwaltungsbezirk 2. Tiergarten: SPD 27, CDU 8, LDP 5, Zus. 40
Verwaltungsbezirk 3. Wedding: SPD 34, CDU 7, LDP 4, Zus. 45
Verwaltungsbezirk 6. Kreuzberg: SPD 32, CDU 8, LDP 5, Zus. 45
Verwaltungsbezirk 7. Charlottenburg: SPD 27, CDU 10, LDP 8, Zus. 45
Verwaltungsbezirk 8. Spandau: SPD 27, CDU 7, LDP 6, Zus. 40
Verwaltungsbezirk 9. Wilmersdorf: SPD 22, CDU 9, LDP 9, Zus. 40
Verwaltungsbezirk 10. Zehlendorf: SPD 15, CDU 8, LDP 7, Zus. 30
Verwaltungsbezirk 11. Schöneberg: SPD 25, CDU 8, LDP 7, Zus. 40
Verwaltungsbezirk 12. Steglitz: SPD 21, CDU 9, LDP 10, Zus. 40
Verwaltungsbezirk 13. Tempelhof: SPD 24, CDU 8, LDP 8, Zus. 40
Verwaltungsbezirk 14. Neukölln: SPD 33, CDU 7, LDP 5, Zus. 45
Verwaltungsbezirk 20. Reinickendorf: SPD 28, CDU 7, LDP 5, Zus. 40

Ein amerikanisches Skymaster-Flugzeug mit einer Ladung Kohle für Berlin an Bord stürzt in der Nähe des Flughafens Faßberg in Niedersachsen ab. Drei Mitglieder der Besatzung finden den Tod (vgl. Schriftenr. Bln. Zeitgesch., Bd. 2, 18.11.1948).

1949

Der Präsident des Amerikanischen Berufungsgerichtes für Deutschland, William B. Clark, verteidigt im Rathaus Schöneberg in Anwesenheit des amerikanischen Stadtkommandanten, Generalmajor Taylor, und von Oberbürgermeister Professor Reuter 140 Berliner Rechtsanwälte, die von dem amerikanischen Bezirksgericht in Berlin, dem zweiten amerikanischen Gerichtsbezirk in Deutschland, zugelassen werden. Präsident Clark weist darauf hin, daß das 1948 im amerikanischen Besatzungsgebiet neu ins Leben gerufene Gerichtssystem ein System ziviler Gerichtsbarkeit sei, bei dem nun auch das Wort "Militär" weggefallen sei. Außerdem plane die amerikanische Hohe Kommission, den Gerichten fast unbeschränkte Zuständigkeit für den Zivilprozeß zu verleihen, so daß in Zukunft die Rechtsansprüche Deutscher gegenüber amerikanischen Staatsbürgern vor Gericht geltend gemacht werden können. Präsident Clark bezeichnet die zum ersten Mal in der Rechtsgeschichte stattfindende Zulassung einer großen Gruppe von Anwälten eines Landes vor den Gerichten eines anderen Landes als ein hoffnungsvolles Symptom für den Weltfrieden.

Der Leiter der Abteilung Ernährung des Magistrats, Stadtrat Fuellsack, eröffnet auf dem Gelände der Askania-Werke in Mariendorf im Bezirk Tempelhof den "Fruchthof Berlin", die neue provisorische Großmarkthalle der Obst- und Gemüsehändler Berlins. Unabhängig davon bleiben aber in den Bezirken Charlottenburg, Wilmersdorf, Reinickendorf, Neukölln und Kreuzberg Neben- oder Bezirksmärkte noch so lange bestehen, bis für ganz Berlin ein neuer zentraler Großmarkt geschaffen werden kann.

Der Berliner Aktionsausschuß des Hilfswerkes Berlin wendet sich in einem Aufruf an die Berliner Bevölkerung, um durch Spenden von Lebensmitteln und Medikamenten bedürftigen Berlinern zu helfen. Frau Bürgermeister Schroeder erklärt auf einer Pressekonferenz, durch diese Aktion solle gezeigt werden, daß Berlin nicht nur auf westdeutsche Spenden wartet, sondern gewillt sei, sich soweit wie möglich selbst zu helfen (vgl. 30.11.1949, Nr. 99).

Der Verwaltungsrat der Freien Volksbühne (FVB) beschließt trotz schwerer Bedenken, ab Januar 1950 von den in den westlichen Sektoren wohnenden Mitgliedern einen Sonderzuschlag von 10 Pfennigen (West) zugunsten der im sowjetischen Sektor wohnenden Mitglieder zu erheben und die Beiträge der Mitglieder aus Ostberlin um 50 Pfennige (Ost) heraufzusetzen.
Seit Beginn der Spielzeit erklärten mehr als 2000 Mitglieder ihren Austritt, da sie als Arbeitslose nicht mehr in der Lage seien, ihre Mitgliedsbeiträge zu zahlen, so daß die FVB gegenwärtig nur noch 29 700 Mitglieder zählt, von denen ein Teil überdies seine Beiträge nicht regelmäßig zahlt. Da die FVB deshalb nicht mehr ihre eingegangenen Verpflichtungen gegenüber den Theatern erfüllen kann, wird der Vorsitzende Dr. Nestriepke beauftragt, durch Verhandlungen mit der Abteilung Volksbildung des Magistrats die Verpflichtung zur Abnahme von Plätzen in den Theatern um 10 Prozent zu verringern.

1950

Die Alliierte Kommandantur erläßt mit BK/O (50) 102 eine Abänderung ihrer Anordnung über die Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände an Opfer der nationalsozialistischen Unterdrückungsmaßnahmen. Sie erleichtert das Rückerstattungsverfahren für während der nationalsozialistischen Zeit aufgelöste Gesellschaften, Parteien, Gewerkschaften und andere politische sowie religiöse oder wohltätige Organisationen bzw. deren Rechtsnachfolger.

Der neue Ministerrat des Landes Brandenburg der sowjetischen Besatzungszone beschließt in Potsdam auf seiner ersten Sitzung, die staatlichen Zuschüsse für die Kirche ab 1. Januar 1951 "nur noch an eine im Land Brandenburg ansässige Kirchenleitung für Berlin-Brandenburg" zu zahlen. In der Begründung heißt es, es könne nicht länger geduldet werden, daß die in Westberlin sitzende Kirchenleitung für Berlin-Brandenburg, die von "antideutschen Kreisen beeinflußt" werde, "für den Frieden kämpfende Pfarrer" nötige oder bedrohe. Die Landesregierung erkennt die von der Kirchenleitung vorgenommenen Maßregelungen gegen Pfarrer, die in der Nationalen Front tätig sind, nicht an und übernimmt die Gehaltszahlungen an diese Pfarrer aus den bisher geleisteten staatlichen Zuschüssen für die Kirche.
Dieser Beschluß bedeutet einen neuen Höhepunkt im Kampf der SED gegen die evangelische Kirche und im Bestreben, die Kirchenleitung zu spalten.

Der Träger des Friedensnobelpreises von 1950 und derzeitige Direktor der Abteilung Treuhandverwaltung der Vereinten Nationen, Dr. Ralph Bunche, kommt auf seiner Reise nach Oslo zu einem zweitägigen privaten Besuch nach Berlin.

Mehrere hundert Studenten veranstalten zwischen der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche und dem Bahnhof Zoologischer Garten erneut eine "Kundgebung" mit dem "Welterneuerer" Jakob Kuny. Als die sich um den Studentenulk sammelnde Menschenmenge den Straßenverkehr lahmlegt, setzt die Polizei mehrere Einsatzkommandos ein, die mit Tränengas gegen die Demonstranten vorgehen.

1951

Die Alliierte Kommandantur übermittelt mit BK/L (51) 129 dem Senat ein Mantelgesetzmuster, dessen Artikel I bestimmt, daß ein Bundesgesetz sowie die bereits erlassenen Ausführungsvorschriften in Berlin Anwendung finden. Artikel II legt fest, daß die noch folgenden Durchführungs- und Ausführungsvorschriften zu dem zu übernehmenden Gesetz gleichfalls in Berlin angewandt werden. Der zuständige Fachsenator wird ermächtigt, die jeweiligen Rechtsvorschriften im Gesetz- und Verordnungsblatt und die Verwaltungsvorschriften im Amtsblatt zu verkünden und den Zeitpunkt ihres Inkrafttretens festzusetzen.

Das Bundespresseamt teilt mit, daß, nachdem eine entsprechende Einladung von den Vereinten Nationen über die Alliierte Hohe Kommission bei der Bundesregierung eingegangen ist, eine deutsche Delegation zur Vollversammlung am 7. Dezember 1951 nach Paris fahren wird. Ihr gehören Bundestagsvizepräsident Dr. Hermann Schäfer (FDP), Berlins Regierender Bürgermeister Ernst Reuter (SPD) und der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Dr. Heinrich von Brentano an.

1952

Der amerikanische Hohe Kommissar, Walter J. Donnelly, gibt auf einer Pressekonferenz in Bonn bekannt, daß Präsident Truman sein Rücktrittsgesuch angenommen hat und bis zur Ernennung eines Nachfolgers sein Stellvertreter Samuel Reber die Amtsgeschäfte weiterführen wird. Als eindrucksvollstes Erlebnis während seines Aufenthaltes in Deutschland bezeichnet Donnelly seine Besuche in Berlin, wobei er die Haltung der Bevölkerung trotz Terrors und dauernder Belästigung als ein "erhebendes Beispiel des Mutes und des Glaubens an die Ideale des Westens" hervorhebt. Schon deshalb müsse die freie Welt Berlin in seinem Kampf um die Aufrechterhaltung der politischen Freiheit und des wirtschaftlichen Wohlstandes weiter unterstützen.

Der amerikanische Stadtkommandant, Generalmajor Mathewson, fordert vom Berliner Vertreter der SKK, Dengin, in einem zweiten Schreiben erneut die Freilassung eines seit dem 24. November vermißten amerikanischen Leutnants. Obwohl der Offizier während einer militärischen Übung irrtümlich in das Gebiet der Sowjetzone geraten und von Volkspolizisten in der Nähe der Glienicker Brücke festgenommen wurde, hätten ihm die sowjetischen Behörden auf sein erstes Schreiben vom 28. November erwidert, keinerlei Informationen über dessen Verbleib zu besitzen. Da ihm diese Unwissenheit nach zehn Tagen unverständlich bleibe, fordert er die sowjetischen Behörden auf, mit dieser "Heuchelei" aufzuhören und für die sofortige Rückkehr des Leutnants zu sorgen.

Das Amt für Information des Ost-Berliner Magistrats berichtet in einer Pressemitteilung, daß, wie die Erfahrungen der letzten Monate gezeigt hätten, fortlaufend Kraftfahrzeuge zur illegalen Warenverschiebung benutzt würden und die Volkspolizei daher vor zwei Tagen einen "entscheidenden Schlag" gegen diese "schädlichen Elemente" führte, wobei 51 Lastwagen, 72 Personenwagen und 25 Motorräder sichergestellt wurden. Während durch Dienststellen im amerikanischen Auftrage die natürlichen Handelsbeziehungen zwischen beiden Teilen Deutschlands eingeengt würden und für die West-Berliner Wirtschaft eine schwierige Situation entstand, hätte der "Reuter-Senat" andererseits zur "Verschleierung des Massenelends die illegale Wareneinfuhr aus dem demokratischen Sektor nach West-Berlin gefördert und organisiert", die durch Arbeit und Fleiß "unserer Werktätigen" geschaffenen Werte unter Ausnutzung des "künstlichen Schwindelkurses und besonderer Schieberprofite" mit ungesetzlichen Handlungen geschmälert und somit die elementarsten Rechtsgrundlagen für eine gegenseitige wirtschaftliche Unterstützung zerstört. Die brutale Rücksichtslosigkeit, mit der diese "verbrecherischen Unternehmen" im Auftrage westlicher Dienststellen, unter bewaffnetem Schutz West-Berliner Polizeiangehöriger begangen wurden, erweise sich schon allein dadurch, daß im jetzt zu Ende gehenden Jahr in 289 Fällen Kontrollpunkte der Volkspolizei gewaltsam mit Kraftfahrzeugen durchfahren und insgesamt zwölf Volkspolizisten und Straßenpassanten zum Teil schwer verletzt worden seien. In allen Fällen, bei denen am 3. Dezember eine Verletzung der "demokratischen Gesetze" festgestellt wurde, werden die Verantwortlichen gerichtlich zur Rechenschaft gezogen. Dennoch könnten West-Berliner Kraftfahrzeugbesitzer weiterhin unbehindert den "demokratischen" Sektor aufsuchen und befahren, wenn sie sich an die bestehenden Gesetze halten.

1953

Mit der Schöneberger Brücke über den Landwehrkanal, Bezirk Kreuzberg, wird die fünfzigste nach dem Kriege wiederhergestellte Brücke dem Verkehr übergeben.

1953

Der "Bund der Berliner" beschließt auf einer Delegiertenkonferenz in Königswinter einen Appell an die westdeutsche Öffentlichkeit, mehr Aufträge nach Berlin zu vergeben und die Stadt häufiger zu besuchen. Bundeskanzler Dr. Adenauer hatte in einer Grußbotschaft versichert, daß sich die Bundesregierung ständig ihrer großen Verpflichtung gegenüber der Stadt bewußt sei. Die Delegiertenversammlung bestätigt Oberfinanzpräsident Dr. Rudolf Mitze als Präsidenten und beschließt, den Sitz des Bundes von Bad Wörishofen nach Bonn zu verlegen.

1954

An den Wahlen zum zweiten Abgeordnetenhaus und den Bezirksverordnetenversammlungen in den Westsektoren beteiligen sich die bisher im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien SPD, CDU und FDP, erstmals seit der Spaltung der Stadt 1948 auch die SED, ferner die DP, die USPD, die Wirtschaftliche Vereinigung des Mittelstandes (WVM), der Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) und die Frei-Soziale-Union (FSU) mit folgendem Ergebnis:
Wahlbeteiligung: 91,8 %
Wahlberechtigte: 1 694 896
Abgegebme Stimmen: 1 555 511
Gültige Stimmen: 1 535 893
Ungültige Stimmen: 19 618

Wahlergebnis für das Abgeordnetenhaus:
SPD 684 906 = 44,6 % = 64 Sitze
CDU 467 117 = 30,4 % = 44 Sitze
FDP 197 204 = 12,8 % = 19 Sitze
DP 75 321 = 4,9 %
SED 41 375 = 2,7%
USPD 1482 = 0,1 %
WVM 26 886 = 1,8 %
BHE 39 236 = 2,5 %
FSU 2 366 = 0,2 %

Wahlergebnis für die Bezirksverordnetenversammlungen (Prozentzahlen der Stimmen, in Klammern Zahl der Mandate)
Tiergarten: SPD 48,2(25), CDU 29,3(15), FDP 10,8(5), DP 4,2(-), SED 3,1, WVM 2,0, BHE 2,4, FSU -
Wedding: SPD 57,2(29), CDU 23,6(12), FDP 7,9(4), DP 3,0(-), SED 4,3, WVM 1,8, BHE 2,0, FSU 0,2
Kreuzberg: SPD 59,6(30), CDU 22,1(11), FDP 7,8(4), DP 3,7(-), SED 3,1, WVM 1,8, BHE 1,7, FSU 0,2
Charlottenburg: SPD 37,4(19), CDU 35,1(17), FDP 14,2(7), DP 5,6(2), SED 2,1, WVM 2,3, BHE 3,1, FSU 0,2
Spandau: SPD 44,6(22), CDU 27,1(13), FDP 14,2(7), DP 6,6(3), SED 2,8, WVM 1,9, BHE 2,5, FSU 0,3
Wilmersdorf: SPD 30,7(15), CDU 36,4(18), FDP 19,6(9), DP 6,0(3), SED 1,3, WVM 2,3, BHE 3,5, FSU 0,2
Zehlendorf: SPD 28,0(14), CDU 37,1(18), FDP 22,0(11), DP 5,8(2), SED 1,5, WVM 2,0, BHE 3,2, FSU 0,4
Schöneberg: SPD 39,3(19), CDU 32,3(16), FDP 14,3(7), DP 6,0(3), SED 2,3, WVM 2,6, BHE 2,9, FSU 0,3
Steglitz: SPD 31,8(15), CDU 36,7(18), FDP 18,2(9), DP 6,2(3), SED 1,7, WVM 2,0, BHE 3,2, FSU 0,2
Tempelhof: SPD 39,0(19), CDU 34,2(17), FDP 14,8 (7), DP 5,3(2), SED 1,9, WVM 2,2, BHE 2,6, FSU -
Neukölln: SPD 54,8(28), CDU 24,2(12), FDP 9,5(5), DP 3,5(-), SED 3,7, WVM 2,5, BHE 1,8, FSU -
Reinickendorf: SPD 46,8(24), CDU 30,6(15), FDP 12,4(6), DP 3,8(-), SED 3,7, WVM -, BHE 2,4, FSU 0,3

Die rund 1000 wahlberechtigten Einwohner der Ortsteile Weinmeisterhöhe und Groß-Glienicke können infolge des nicht eindeutig geklärten Status der Gebiete nicht an den Wahlen teilnehmen.

Im Mittelpunkt des Wahlkampfes standen kommunale Probleme, mehr noch aber die Auseinandersetzung um die Außen- und Verteidigungspolitik der Bundesregierung. Ziel der CDU und FDP war die Erhaltung und Erweiterung ihrer knappen Mehrheit im Abgeordnetenhaus, während die seit gut einem Jahr in Opposition stehende SPD die Mehrheit wieder erringen oder sich doch zumindest den Weg für die Bildung eines Koalitionssenats unter ihrer Führung offenhalten wollte. Die bisher im Parlament vertretenen Parteien wurden im Wahlkampf heftig von der in Berlin rechtsradikal auftretenden DP und der SED angegriffen, die ihren Wahlkampf auch mit Unterstützung der ihr im sowjetischen Besatzungsbereich zur Verfügung stehenden Publikationsmittel führen konnte. Über 400 ihrer "Wahlhelfer" wurden von der Polizei vorläufig festgenommen, da sie Wähler in Wohnungen mit Befragungsaktionen einzuschüchtern versuchten.
Insgesamt hielten die Parteien 1153 Wahlveranstaltungen ab, auf denen auch führende Politiker aus der Bundesrepublik sprachen.

Von den abgegebenen gültigen Stimmen fallen allein 87,8 Prozent auf SPD, CDU und FDP. Während es der DP erstmals gelingt, in sieben Bezirken die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen, bleiben alle übrigen Parteien unter dieser Grenze. Mit besonderer Spannung wurde auch außerhalb Berlins das Abschneiden der SED beobachtet, die mit 2,7 Prozent nur rund ein Fünftel ihres Stimmenanteils in den Westsektoren bei den Wahlen 1946 (13,7 %) erhielt.

1955

53. (Ordentliche) Sitzung des Senats von Berlin.
Bei den Verhandlungen über die Ausstellung von Interzonenschiffahrts-Permits will der Senat gegenüber den Alliierten, insbesondere der britischen Besatzungsmacht, und gegenüber der Bundesregierung darauf bestehen, daß die Permit-Erteilung Sache der Alliierten bleibt.
Wenn Dienststellen der DDR Genehmigungen erteilten, so handelten sie nach Auffassung des Senats nur im Auftrage der Sowjetunion; sollten Behörden der Bundesrepublik Permits unterschreiben, so würden sie für die Alliierten handeln.

Der SPD-Landesausschuß erörtert die politische Entwicklung im sowjetischen Sektor, wobei sich folgende Hauptbestrebungen feststellen ließen:

  1. Verstärkter Versuch, die Bevölkerung, besonders aber Sozialdemokraten, zu Spitzeldiensten zu pressen;
  2. Aufforderung an die SPD-Mitglieder, sich am Aufbau des "demokratischen Sektors" zu beteiligen und sich von den "vom Westen bezahlten Funktionären" zu trennen;
  3. im Zusammenhang mit der Feststellung der Arbeitsplätze eine Kampagne gegen die Grenzgänger;
  4. Durchführung verschärfter Kontrollbestimmungen und Strafandrohungen gegen Eltern, deren Kinder West-Berliner Schulen besuchen.
Nachdem in der Diskussion durchgehend die Notwendigkeit
  1. des Weiterbestehens der Partei im Ostsektor,
  2. ihrer starken politischen Unterstützung durch Versammlungen an der Sektorengrenze,
  3. bestimmten Kreisen der Ost-Berliner Bevölkerung wirtschaftliche Hilfe zukommen zu lassen und
  4. der Schaffung von Möglichkeiten zur Teilnahme der Ost-Berliner am kulturellen Leben West-Berlins
festgestellt wurde, beschließt der Landesausschuß,
  • alle vier Stadtkommandanten darüber zu unterrichten, daß Mitglieder der SPD wie auch andere rechtschaffene Bürger im Ostsektor in jüngster Zeit einem unerträglichen Druck durch die SED und den SSD ausgesetzt sind,
  • die Kontrollmächte nachdrücklich an die für Berlin übernommenen Rechte und Pflichten zu erinnern,
  • die Bevölkerung zu Anstrengungen aufzurufen, um den Zusammenhalt unter den Berlinern aller 20 Bezirke nicht abreißen zu lassen und
  • alle publizistischen Möglichkeiten zur Aufklärung über die Verhältnisse im Ostteil der Stadt auszunutzen.

1956

Der von seinem Kommando abberufene Oberbefehlshaber der britischen Rheinarmee, General Sir Richard Nelson Gale, verabschiedet sich im Rathaus Schöneberg vom Regierenden Bürgermeister Prof. Suhr, der ihm für seine so oft zum Ausdruck gebrachte Verbundenheit mit Berlin dankt und erklärt, daß die Stadt dem Schutz vertraue, der ihr durch die unter seinem Kommando stehenden Truppen gewährt werde.
Der General erwidert, daß er seit seinem ersten Besuch stets gern nach Berlin kam und sich mit dieser Stadt besonders verbunden fühle, die sich durch den Kampf ihrer Einwohner um die Erhaltung der Freiheit die Achtung und die Sympathie der gesamten freien Welt errungen habe.

Die Stöcker-Stiftung in Weißensee übernimmt die Verantwortung für das Ev. Hospiz am Bahnhof Friedrichstraße (Albrecht-/Ecke Marienstraße). Bei der Eröffnungsfeier, zu der der EKD-Bevollmächtigte bei der DDR-Regierung, Propst Grüber, geladen hatte, versichert der Vorsitzende des Rats, des Stadtbezirks Mitte, Goldberg, daß die staatlichen Stellen die neue Geschäftsführung in ihrer Tätigkeit unterstützen werden.
Das 1904 erbaute Hospiz, im 2. Weltkrieg teilweise zerstört, wird nach seiner völligen Wiederherstellung 200 Betten haben und damit nicht nur eines der größten Hospize in Deutschland, sondern auch eines der größten Hotels in Ost-Berlin sein.

Der "Tagesspiegel" meldet, daß die sowjetische Seite in letzter Zeit mehrfach dem Wunsch nach einer erneuten Kontaktaufnahme zum Berliner Senat Ausdruck gegeben habe. Maßgebende sowjetische Vertreter in Ost-Berlin hätten bedauert, daß die unter dem günstigen Aspekt der Rückgabe des Rundfunkhauses begonnenen Verbindungen durch die Ereignisse in Ungarn abgebrochen worden sind.
Wie das Blatt von "unterrichteter Senatsseite" erfahren haben will, beabsichtigt der Senat nach Ablauf einer angemessenen Frist, die durch die Vorfälle in Ungarn bedingt sei, die Kontakte zur sowjetischen Botschaft Unter den Linden wiederaufzunehmen, zumal noch immer eine Reihe von Berlin betreffenden Fragen einer Klärung bedürften. Außerdem wolle der Senat im kommenden Jahr auch seine Bemühungen um eine Landeerlaubnis für die Lufthansa in Berlin intensivieren.

Sowjetische Posten verweigern am Kontrollpunkt Babelsberg einem amerikanischen LKW-Konvoi, zum erstenmal seit der Blockade 1948/49, die Weiterfahrt in das Bundesgebiet, nachdem sich der leitende Transportoffizier geweigert hatte, die Soldbücher seiner Soldaten zur Kontrolle herauszugeben und die Ladung überprüfen zu lassen.
Eine sofort an Ort und Stelle stattfindende Besprechung zwischen dem Chef der amerikanischen Militärpolizei in Berlin und einem sowjetischen Oberstleutnant bleibt ergebnislos, woraufhin der Konvoi zurückkehrt.

Der stellv. sowjetische Stadtkommandant, Oberst Kozjuba, versichert daraufhin am 6. Dezember amerikanischen Offizieren in Ost-Berlin, daß die Konvois künftig die Kontrollpunkte wieder ungehindert passieren können. Der tags darauf losgeschickte Konvoi wird in Babelsberg dann zwar durchgelassen, aber nur, nachdem der Transportoffizier unter Protest die sowjetische Forderung erfüllt, die Soldbücher der Begleitmannschaft kontrollieren zu lassen.
Die Rückkehr des Konvois aus Westdeutschland am 8. Dezember erfolgt dann ohne jede Behinderung.

1957

Bundespostminister Stücklen versichert anläßlich seines ersten Besuches bei der Landespostdirektion vor der Presse, daß die Post auch im kommenden Jahr Berlin verstärkt durch Aufträge unterstützen wolle, sofern es die angespannte finanzielle Situation erlaube, das bisherige Investitionsvolumen aufrechtzuerhalten. 1956 hat die Bundespost Aufträge für insgesamt 637 Mill. DM an die Wirtschaft vergeben, davon allein 155 Mill. DM nach Berlin; für 1958 sind Aufträge in Höhe von 165 Mill. DM für Berlin vorgesehen. Er spricht die Hoffnung aus, daß die Verhandlungen mit dem Senat über den Bau des geplanten Postscheckamtes in der Möckernstraße bald erfolgreich abgeschlossen werden können, das für 200 000 Konten eingerichtet werde. Schon heute sehe die Planung einen Anbau vor, in dem nach der Wiedervereinigung weitere 100 000 Konten bearbeitet werden könnten, womit Berlin wieder das größte Postscheckamt Deutschlands haben würde. Dieser Bau direkt an der Sektorengrenze müsse als eine politische Demonstration dafür gewertet werden, daß die Bundespost mit der Wiedervereinigung ernstlich rechne.
Hinsichtlich der Verbesserung des Berliner Fernmeldewesens, das noch nicht den gewünschten Stand erreicht habe, kündigt der Minister an, daß auf dem Schäferberg bei Wannsee bis Ende 1958 zunächst zwei Drahtfunkverbindungen für je 120 Fernsprechkanäle auf einem Fernmeldeturm gebaut werden, die auch günstige Telefongebühren für Berlin ermöglichen würden.

73. (Ordentliche) Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin.
Gegen drei Stimmen beschließt das Plenum, das Honnefer Modell zur Begabtenförderung unter den Studenten entsprechend dem Vorschlag des Hauptausschusses und gegen das Votum des Volksbildungsausschusses vom Wintersemester 1957/58 nur an FU, TU und Kirchlicher Hochschule einzuführen, da eine Ausdehnung der Begabtenförderung auf alle Berliner Hochschulen 450 000 DM mehr erfordern würde. Den bisherigen Empfängern von Währungsstipendien, die nicht die Voraussetzungen für die Aufnahme in das Honnefer Modell erfüllen, bleibt vorerst die Anwartschaft auf das Währungsstipendium.

Auf eine Frage der FDP teilt Volksbildungssenator Prof. Tiburtius mit, daß die Zahl der Ost-Abiturienten an den West-Berliner Schulen von 1282 im Jahre 1955 auf 640 in diesem Jahr zurückging, da die Bundesländer einen großen Teil dieser Oberschüler aufgenommen hätten. Zudem habe er auf der letzten Kultusministerkonferenz am 29. November in Bonn entgegen den Argumenten, man dürfe der "Sowjetzone" nicht noch weitere geistige Kräfte entziehen, die Ansicht vertreten, daß man den Eltern dort nicht das Recht versagen dürfe, ihre Kinder an Oberschulen West-Berlins oder Westdeutschlands zu schicken. Keinesfalls dürfe man jedoch diese jungen Menschen als von einer "geringeren Stufe geistiger Haltung und Vorbildung" ansehen. Diese Mahnung habe er auch an alle Lehrer gerichtet.

Der französische Botschafter Couve de Murville erklärt in einem Vortrag vor der Deutsch-Französischen Gesellschaft, daß sich seit 1945 in den Beziehungen beider Völker zueinander nicht nur eine Evolution, sondern eine Revolution mit einer völligen Umkehr der Allianzen vollzogen habe, da der Eintritt der Bundesrepublik in das westliche Bündnis das Schicksal beider Staaten miteinander verbunden habe. Die Rivalität als eine der Ursachen für die inzwischen überwundene Entfremdung bezeichnet der Botschafter auch als die Quelle für das furchtbarste Unheil dieses Jahrhunderts. "Heute wissen wir, daß diese Rivalität, der Alpdruck über Europa, im gegenwärtigen Zustand der Welt keinen Sinn mehr hätte und daß es zwischen Deutschland und Frankreich keine Spannungen von nationalem Rang mehr gibt. Unsere Streitigkeiten sind erledigt." Frankreich habe wieder volles Vertrauen in die demokratische Entwicklung Deutschlands, es habe einen Schlußstrich unter die Vergangenheit gezogen und bekenne sich zur europäischen Zusammenarbeit im Bewußtsein gemeinsamer Interessen.

1958

Der Berliner Wahlkampf wird mit Großveranstaltungen der beiden größten Parteien beendet.
In der Deutschlandhalle erklärt der CDU-Vorsitzende, Bundeskanzler Dr. Adenauer, die sowjetischen Berlin-Noten vom 27. November böten keine Grundlagen dafür, schon jetzt über Deutschland und die europäische Sicherheit zu verhandeln. Daher sei es auch falsch - wie die SPD es wünsche -, in der gegenwärtigen Situation z. B. über den Rapacki-Plan verhandeln zu wollen. Zunächst müsse Klarheit über den Status Berlins geschaffen und die über West-Berlin schwebende erpresserische Drohung beseitigt werden. Zuerst müsse "die Sowjetnote weg". Wenn die Welt von den Berlinern Entschiedenheit verlange, könne man die Berlin-Frage nicht unbegrenzt ungeklärt im Raume stehen lassen, denn das würde einen Nervenkrieg ohne Ende bedeuten.
Der Bundeskanzler nennt es lächerlich, wenn die SPD im Augenblick direkter Gefahr über ein Sicherheitssystem in Europa diskutieren wolle. Wenn sie sage, daß ein wiedervereinigtes Deutschland weder dem West- noch dem Ostblock angehören dürfe, so sei dies jetzt eine denkbar überflüssige Bemerkung, weil man damit die Neigung der Verbündeten, "zu uns zu stehen", nicht stärken könne. Das lasse sich später vielleicht einmal sagen, "aber jetzt sollte (die SPD) besser den Mund halten".

In der Schöneberger Sporthalle hält Berlins SPD-Landesvorsitzender, der Regierende Bürgermeister Brandt, die erste Runde in der Abwehr des sowjetischen Berlin-Vorstoßes schon dadurch für gewonnen, daß die Berliner sich nicht hätten bange machen lassen. Er fordert die Westmächte auf, nicht nur die sowjetischen Vorschläge zu beantworten, sondern selbst aktiv zu werden und überzeugende Gegenvorschläge zu entwickeln, mit deren Verwirklichung die Furcht gebannt werden könne, die heute die Menschen bedrücke.

Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Dr. Mende, meint auf einer Pressekonferenz in Berlin, die Sowjets seien zu klug, als daß sie selbst ihre Berlin-Vorschläge für realisierbar hielten. Vielmehr wollten sie damit offenbar nur Verhandlungen der Großmächte über Deutschland in ihrem Sinne erzwingen. Dieser sowjetischen Politik müsse die Bundesrepublik mit einem von allen Parteien erarbeiteten gemeinsamen Konzept begegnen, wobei allerdings manches zur Diskussion zu stellen sei, was bisher als Tabu galt.

Das ZK der SED unterbreitet in einem weiteren Offenen Brief dem Parteivorstand und den Mitgliedern der SPD Vorschläge zum breiten Meinungsaustausch in der Arbeiterklasse und zwischen den Leitungen der Organisationen, da die Entwicklung in Deutschland nunmehr an einem Wendepunkt angelangt sei.
Bei gegenseitigen Besuchen von Delegationen und bei der Publizierung von Auffassungen der führenden Persönlichkeiten in Zeitungen und Zeitschriften sollten erörtert werden:

  1. Einschätzung der Lage und Beurteilung der durch den deutschen Militarismus erneut heraufbeschworenen Gefahren.
  2. Maßnahmen zur Beseitigung "des Herdes einer Kriegsbrandstiftung" in West-Berlin.
  3. Fragen der Schaffung eines Friedensvertrages mit Deutschland.
  4. Maßnahmen zur Annäherung beider deutscher Staaten, der Herstellung eines Staatenbundes mit dem Ziel der Wiedervereinigung Deutschlands zu einem friedlichen demokratischen Staat.
Daneben erklärt sich das ZK auch bereit, mit leitenden Sozialdemokraten und Gewerkschaftern Besprechungen zu führen über die wirtschaftlichen Beziehungen eines entmilitarisierten West-Berlins zur DDR sowie über Möglichkeiten eines stärkeren Ankaufs von Steinkohle, Stahl und Textilien aus Westdeutschland, um zur Verbesserung der Lage der Werktätigen dort beizutragen.

Nachdem das SED-Zentralorgan "Neues Deutschland" während der vergangenen Tage in Artikeln, Berichten und Kommentaren mehrmals dazu aufgerufen hatte, durch die Stimmabgabe für die SED am 7. Dezember zugleich auch die sowjetischen Berlin-Vorschläge zu unterstützen, erklärt es nunmehr, daß die Wahlen keinen Volksentscheid darstellen könnten, da ein solcher nach der Wahlpropaganda der nichtkommunistischen Parteien unter einer "irreführenden Fragestellung" und die Wahlen selbst in "einer Atmosphäre der Repressalien und des Terrors gegen die SED" stattfinden würden. Daher könne weder von freien Wahlen noch von einem Volksentscheid die Rede sein.
Da die Sowjetunion selbst eine Frist von sechs Monaten zur Einigung über ihre Vorschläge einräumte, habe die SED nicht die Absicht, diese Frist auf zehn Tage zu verkürzen. Im übrigen ginge eine Neutralisierung West-Berlins nicht allein die West-Berliner an, sie könnten daher auch bei einem unter "normalen Bedingungen" durchgeführten Volksentscheid nicht darüber entscheiden, ob das Besatzungsstatut durch den Status einer Freien Stadt ersetzt werden solle. Das aber müsse und werde im Interesse des Friedens auf jeden Fall geschehen. Wenn die "Frontstadtpresse" von einem Volksentscheid schreibe, so sei hier der Wunsch der Vater des Gedankens. "Es könnte ihnen so passen, daß der sowjetische Vorschlag am 8. Dezember erledigt und vergessen wäre. Auch die West-Berliner werden sich immer mehr von der Zweckmäßigkeit dieses Vorschlages überzeugen. Und er wird durchgeführt."

Der Dramatiker Ferdinand Brückner (eigentl. Theodor Tagger) stirbt im Alter von 67 Jahren an einer doppelseitigen Lungenentzündung im Martin-Luther-Krankenhaus.

1959

Vor 13 000 Zuschauern in der Deutschlandhalle kann Gustav Scholz (Berlin) seinen Titel als Europameister im Mittelgewicht der Berufsboxer ein weiteres Mal erfolgreich verteidigen. Nach fünf Niederschlägen bricht der englische Ringrichter Bill Williams kurz vor dem Ende der 14. Runde den Kampf gegen den völlig zermürbten französischen Herausforderer Andre Drille (Biarritz) ab.

1959

Vor 13 000 Zuschauern in der Deutschlandhalle kann Gustav Scholz (Berlin) seinen Titel als Europameister im Mittelgewicht der Berufsboxer ein weiteres Mal erfolgreich verteidigen. Nach fünf Niederschlägen bricht der englische Ringrichter Bill Williams kurz vor dem Ende der 14. Runde den Kampf gegen den völlig zermürbten französischen Herausforderer Andre Drille (Biarritz) ab.

1960

Die Freie Universität gedenkt im Auditorium Maximum in einer Feierstunde der vor 150 Jahren erfolgten Gründung der Friedrich-Wilhelms-Universität.
Nach der Begrüßung der Repräsentanten aller westdeutschen Universitäten und Technischen Hochschulen sowie zahlreicher wissenschaftlicher Gesellschaften und Stiftungen umreißt Rektor Neumann in seinem Festvortrag "Wilhelm von Humboldt und die Gründung der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin" das Wirken Humboldts, der in nur sechzehn Monaten der Leitung der Kultursektion im Innenministerium zum Mittler der deutschen Form akademischer Bildung und neuer Formen des Staatswesens in Preußen geworden sei.

Der Präsident der westdeutschen Rektorenkonferenz, Leussink, beschäftigt sich in seiner Ansprache vor allem mit den von zwei Seiten vorgetragenen Angriffen gegen die Humboldtsche Universitätskonzeption. Zum einen richte sich der Geist, der in die alte Berliner Universität nach dem Willen der dortigen Machthaber einziehen solle, gegen das verpflichtende Erbe der Friedrich-Wilhelms-Universität. Zum anderen frage man auch im Westen kritisch, ob nicht gerade Humboldts Bildungsauffassung in einen "Elfenbeinturm der Wissenschaften" führte. Leussink hält Kritik am Hochschulwesen für durchaus berechtigt; daß es sich gegenwärtig nicht in der Lage sehe, die Prinzipien des Humboldtschen Bildungsideals zu verwirklichen, habe seinen Grund aber nicht in einem Versagen dieser Prinzipien, weshalb auch der Deutsche Wissenschaftsrat - "gewiß keine Versammlung wirklichkeitsfremder Professoren" - bewußt an der Forderung der Einheit von Forschung und Lehre festhält.

Volksbildungssenator Tiburtius stellt einen umfassenden, einheitlichen Bauplan für die Erweiterung der Berliner Hochschulen in Aussicht, da erhebliche Bundeszuschüsse zur Vermehrung der Lehrstühle und des sogenannten akademischen Mittelbaues in Berlin angekündigt wurden. An die westdeutschen Rektoren gewandt, gibt der Senator zu bedenken, ob es nicht eine Art Ehrenpflicht werden könnte, Berufungen nach Berlin anzunehmen.

Für den VDS-Vorsitzenden Wetzel liegt die Bedeutung dieser Feierstunde in der Tatsache, daß die FU zwar erst in das dreizehnte Jahr ihres Bestehens gehe, aber bereits eine 150jährige Tradition hinter sich habe. Die seit 1945 anhängige Hochschulreform will er nicht als gegen den Geist Humboldts gerichtet wissen, sondern gegen das, was man vielfach aus ihm gemacht habe. Denn in einer Universität, die sich der freiheitlich-demokratischen Lebensordnung fest verpflichtet wisse, würden auch Humboldts Gedanken richtig und gut erfüllt werden. Und der FU-AStA-Vorsitzende Lummer bekennt sich zu den Anfängen der Friedrich-Wilhelms-Universität und zur Tradition der Freien Universität als der Ursprungsquelle für eine umfassende Reform des Hochschulwesens.

Rektor Neumann übergibt zum Abschluß der Feier Volksbildungssenator Tiburtius die ersten Exemplare der Gedenkschrift zur 150. Wiederkehr des Gründungsjahres der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, Bd. 1: Idee und Wirklichkeit einer Universität, Dokumente zur Geschichte der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, hrsg. von Wilhelm Weischedel, sowie Bd. 2: Studium Berolinense, Aufsätze und Beiträge zu Problemen der Wissenschaft und zur Geschichte der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, hrsg. von Hans Leussink, Eduard Neumann und Georg Kotowski, Berlin 1960.

1960

Die Freie Universität gedenkt im Auditorium Maximum in einer Feierstunde der vor 150 Jahren erfolgten Gründung der Friedrich-Wilhelms-Universität.
Nach der Begrüßung der Repräsentanten aller westdeutschen Universitäten und Technischen Hochschulen sowie zahlreicher wissenschaftlicher Gesellschaften und Stiftungen umreißt Rektor Neumann in seinem Festvortrag "Wilhelm von Humboldt und die Gründung der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin" das Wirken Humboldts, der in nur sechzehn Monaten der Leitung der Kultursektion im Innenministerium zum Mittler der deutschen Form akademischer Bildung und neuer Formen des Staatswesens in Preußen geworden sei.

Der Präsident der westdeutschen Rektorenkonferenz, Leussink, beschäftigt sich in seiner Ansprache vor allem mit den von zwei Seiten vorgetragenen Angriffen gegen die Humboldtsche Universitätskonzeption. Zum einen richte sich der Geist, der in die alte Berliner Universität nach dem Willen der dortigen Machthaber einziehen solle, gegen das verpflichtende Erbe der Friedrich-Wilhelms-Universität. Zum anderen frage man auch im Westen kritisch, ob nicht gerade Humboldts Bildungsauffassung in einen "Elfenbeinturm der Wissenschaften" führte. Leussink hält Kritik am Hochschulwesen für durchaus berechtigt; daß es sich gegenwärtig nicht in der Lage sehe, die Prinzipien des Humboldtschen Bildungsideals zu verwirklichen, habe seinen Grund aber nicht in einem Versagen dieser Prinzipien, weshalb auch der Deutsche Wissenschaftsrat - "gewiß keine Versammlung wirklichkeitsfremder Professoren" - bewußt an der Forderung der Einheit von Forschung und Lehre festhält.

Volksbildungssenator Tiburtius stellt einen umfassenden, einheitlichen Bauplan für die Erweiterung der Berliner Hochschulen in Aussicht, da erhebliche Bundeszuschüsse zur Vermehrung der Lehrstühle und des sogenannten akademischen Mittelbaues in Berlin angekündigt wurden. An die westdeutschen Rektoren gewandt, gibt der Senator zu bedenken, ob es nicht eine Art Ehrenpflicht werden könnte, Berufungen nach Berlin anzunehmen.

Für den VDS-Vorsitzenden Wetzel liegt die Bedeutung dieser Feierstunde in der Tatsache, daß die FU zwar erst in das dreizehnte Jahr ihres Bestehens gehe, aber bereits eine 150jährige Tradition hinter sich habe. Die seit 1945 anhängige Hochschulreform will er nicht als gegen den Geist Humboldts gerichtet wissen, sondern gegen das, was man vielfach aus ihm gemacht habe. Denn in einer Universität, die sich der freiheitlich-demokratischen Lebensordnung fest verpflichtet wisse, würden auch Humboldts Gedanken richtig und gut erfüllt werden. Und der FU-AStA-Vorsitzende Lummer bekennt sich zu den Anfängen der Friedrich-Wilhelms-Universität und zur Tradition der Freien Universität als der Ursprungsquelle für eine umfassende Reform des Hochschulwesens.

Rektor Neumann übergibt zum Abschluß der Feier Volksbildungssenator Tiburtius die ersten Exemplare der Gedenkschrift zur 150. Wiederkehr des Gründungsjahres der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, Bd. 1: Idee und Wirklichkeit einer Universität, Dokumente zur Geschichte der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, hrsg. von Wilhelm Weischedel, sowie Bd. 2: Studium Berolinense, Aufsätze und Beiträge zu Problemen der Wissenschaft und zur Geschichte der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, hrsg. von Hans Leussink, Eduard Neumann und Georg Kotowski, Berlin 1960.

1961

In den Abendstunden gelingt fünfundzwanzig DDR-Bürgern auf der Strecke Oranienburg-Falkensee-Albrechtshof in einem aus einer Lokomotive und vier Doppelwaggons bestehenden, "gekaperten" Personenzug, dessen Türen sie verriegelt hatten, die Flucht in den West-Berliner Bezirk Spandau.

1962

Parlamentspräsident Bach und Bürgermeister Amrehn verabschieden den britischen Stadtkommandanten, General Dunbar, der aus Gesundheitsgründen diesen Posten aufgeben muß, in dessen Residenz in Gatow, wobei die Eintragung ins Goldene Buch der Stadt erfolgt.

1963

In der 20. Sitzung des Abgeordnetenhauses (4. Wahlperiode) verliest der Regierende Bürgermeister Brandt im Rahmen eines Berichts über die Ergebnisse seines Aufenthalts in Afrika (vgl. 4722. November) eine persönliche Botschaft US-Präsident Johnsons, worin er der Berliner Bevölkerung für die tiefe Anteilnahme am Tod seines Amtsvorgängers Kennedy dankt. Anschließend versichert Brandt, er habe bei seinem Besuch in Washington die Überzeugung bestätigt gefunden, daß Berlin in Johnson "einen starken und zuverlässigen Freund" besitze, der Kennedys Politik fortzusetzen entschlossen sei (vgl. 27. November).

1964

Bezirksbürgermeister Mattis übernimmt das neue Rathaus Wedding in der Müllerstraße 147, einen nach Plänen von Fritz Bornemann in etwa zweieinhalbjähriger Bauzeit für rund sechs Mio. DM geschaffenen zwölfgeschossigen Stahlbetonbau mit 200 Räumen, der mit dem vorgelagerten Bezirksverordneten-Sitzungssaal und dem aus den 20er Jahren stammenden alten Rathaus durch brückenartige Übergänge verbunden ist.

1966

Auf der Synode der Ev. Kirche Berlin-Brandenburg (West) im Spandauer Johannesstift erstattet Bischof Scharf erstmals nach seiner Wahl den Bericht der Kirchenleitung (vgl. 13./18. Februar). Die 83 Synodalen verabschieden ein Kirchengesetz, das die Einheit des Berliner Stadtsynodalverbandes und seine Rechtskontinuität gewährleisten soll, jedoch noch von der Regionalsynode Ost, die erstmals nicht gleichzeitig tagen kann, gebilligt werden muß, und appellieren in einer einmütig angenommenen Entschließung an die zuständigen Stellen in Ost und West, alles zu tun, "um eine Begegnung der Bevölkerung innerhalb Berlins während der Weihnachtszeit herbeizuführen" (vgl. 6. Dezember).

1968

Die Freie Volksbühne verleiht den mit 5000 DM dotierten Gerhart-Hauptmann-Preis 1968 an den 31jährigen Hartmut Lange für sein Stück "Der Hundsprozeß/ Herakles" und an den z. Z. in den USA weilenden 29jährigen Egon Menz für das Stück "Tübinger Mahlzeit". Die Feierstunde findet diesmal nicht im Theater der FVB in der Schaperstraße, sondern in der Kaminbar des Hilton-Hotels statt, weil im letzten Jahr Peter Handke die Preisverleihung dazu benutzt hatte, zur Empörung der FVB-Mitglieder über das Kurras-Urteil zu sprechen. Doch auch Hartmut Lange nennt die Preisverleihung einen "faulen Kompromiß", mit dem ein Stück marxistischer Literatur in den kapitalistischen Kulturbetrieb integriert werden sollte. Die selbst gestellte Frage, ob er das Preisgeld dann hätte überhaupt annehmen sollen, beantwortet Lange mit der Bemerkung, mit einem Boykott von seiner Seite wäre nichts erreicht worden. Das Proletariat unter den Theatergängern, dessen Geschmack die FVB verbilde, dürfe nicht im Stich gelassen werden. "Ich hoffe, daß Sie mit der Preisverleihung einen Ihrer Totengräber ausgezeichnet haben."

1969

Zum Abschluß der Ministertagung des NATO-Rates in Brüssel geben die Minister eine Erklärung heraus, in der die von den Regierungen der USA, Großbritanniens und Frankreichs unternommenen Bemühungen begrüßt werden, die Sowjetunion für eine Verbesserung der Berlin-Situation zu gewinnen. (Vgl. 11. April, 6./7. August.) "Die Beseitigung der in der Vergangenheit hinsichtlich Berlins und insbesondere bezüglich des Zugangs nach Berlin geschaffenen Schwierigkeiten würde die Aussichten für ernsthafte Gespräche über die anderen konkreten Fragen verbessern, die auch weiterhin Ost und West voneinander trennen", heißt es in der Erklärung. "Darüber hinaus könnte Berlin eine konstruktive Rolle bei der Ausweitung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Ost und West spielen, wenn der Handel der Stadt mit dem Osten erleichtert werden könnte."

In der 18. Sitzung des Deutschen Bundestags (6. Wahlperiode) nimmt Vizepräsidentin Liselotte Funcke die 75. Wiederkehr des Tages, an dem der Deutsche Reichstag in Berlin das nach einem Entwurf von Paul Wallot am Königsplatz (heute Platz der Republik) errichtete Reichstagsgebäude bezog, zum Anlaß, die Arbeit des Reichstags zu würdigen.

Der Senat bestätigt den Eingang eines Briefes von Bundesfinanzminister Alex Möller, in dem die Vorstellungen Berlins zur Verbesserung des Berlin-Hilfe-Gesetzes vor allem für Arbeitnehmer wegen der Belastungen für den Bundeshaushalt 1970 im wesentlichen zurückgewiesen werden. (Vgl. 25. Oktober.)

1973

Der Präsident des Abgeordnetenhauses, Walter Sickert, sagt in Bonn vor der Deutschen Vereinigung für Parlamentsfragen, es habe sich bewährt, daß die meisten West-Berliner Parlamentsausschüsse öffentlich tagen. Das Abgeordnetenhaus pflege die Öffentlichkeitspraxis seit nunmehr zweieinhalb Jahren mit dem Erfolg einer Resonanz, die früher kaum möglich gewesen sei. Der Umfang der Zeitungsberichterstattung habe deutlich zugenommen.

1982

Der Regierende Bürgermeister von Weizsäcker und der kanadische Minister Olson eröffnen in der Akademie der Künste "O Kanada"; mit dieser bisher aufwendigsten kulturellen Selbstdarstellung will Kanada in den nächsten Wochen und Monaten mit einer Fülle von Ausstellungen älterer und moderner Kunst, einer Dokumentation seiner Architektur und Stadtplanung, mit Theater-, Ballett-, Video- und Performance-Veranstaltungen, mit 140 Filmen im "Arsenal" in Berlin präsent sein.

1983

Der CDU-Schatzmeister Kiep erörtert, wie schon einmal vor rund einem Jahr, in Ost-Berlin mit dem für Wirtschaftsfragen zuständigen SED-Politbüromitglied Mittag Fragen einer Weiterentwicklung der deutsch-deutschen Beziehungen.

1984

Das Abgeordnetenhaus billigt auf seiner 80. Sitzung (9. Wahlperiode) mit den Stimmen von CDU und ED.P die Erhöhung der BVG-Tarife zum 1. Mai 1985 um durchschnittlich 6,8% - u.a. kostet der Einzelfahrschein dadurch künftig 2.10 DM -, womit, so der für die Eigenbetriebe verantwortliche Senator Wronski, die Verlustzuschüsse an die BVG von 689,4 sich auf 668 Mio. DM verringern lassen. Ferner debattieren die Abgeordneten den Abschlußbericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der Ursachen für den Brand im Abschiebegewahrsam am Augustaplatz zu Silvester 1983, der u.a. eine drastische Verkürzung der Abschiebehaft fordert, die inzwischen durch entsprechende Maßnahmen der Justiz- und Polizeibehörden bereits verwirklicht wurde.

1985

Das Abgeordnetenhaus billigt in seiner 16. und 17. Sitzung (10. Wahlperiode) gegen die Stimmen von SPD und AL den Haushalt 1986, der mit einer Steigerungsrate von 2,9% gegenüber dem Vorjahr ein Gesamtvolumen von 22,144 Mrd. DM aufweist; beträgt die Bundeshilfe 11,6 Mrd. DM = 52,4% des Etats so die Nettoneuverschuldung 650 Mio. DM. Im Mittelpunkt der Debatten stehen Fragen der Wirtschaftspolitik, wobei die SPD gewisse Erfolge des Senats zwar anerkennt, ihn zugleich jedoch beschuldigt, das Problem der Arbeitslosigkeit - im November betrug die Zahl der Beschäftigungslosen 79090 = 9,7% - nicht in den Griff bekommen zu haben. Demgegenüber verweisen der Regierende Bürgermeister Diepgen und Wirtschaftssenator Pieroth auf vielfältige Initiativen des Senats und auf die Schaffung von 20000 neuen Arbeitsplätzen innerhalb der beiden letzten Jahre.

1985

Der Senat begrüßt in einer Erklärung das Ende der im April begonnenen Reparaturarbeiten an der Glienicker Brücke, bedauert jedoch zugleich, daß sie noch immer nicht wieder dem Personenverkehr zwischen Potsdam und West-Berlin zur Verfügung steht. Hingegen wurden die in der DDR akkreditierten Diplomaten vor einigen Tagen darüber unterrichtet, daß - neben den Mitgliedern der westlichen Militärmission in Potsdam - künftig auch sie die Brücke auf ihrem Weg von und nach West-Berlin benutzen dürfen.

1986

Der sowjetische Botschafter in Ost-Berlin, Kotschemassow, besichtigt - nach einem Höflichkeitsbesuch bei Spandaus Bezirksbürgermeister Salomon im Rathaus - in der Spandauer Zitadelle die am 17. Oktober eröffnete Napoleon-Ausstellung, in welcher auch das Staatliche Historische Museum Moskau mit der Sonderschau "Der Große Vaterländische Krieg 1812" aus seinen Beständen vertreten ist.

1988

Die bereits in der vergangenen Woche begonnenen Protestaktionen gegen die Überfüllung der Universitäten und Hochschulen (vgl. 4. Dezember) weiten sich aus. Auf dem Wittenbergplatz hält der Mathematik-Professor Peter Mevert eine Vorlesung für rund 400 Studenten der Volks- und Betriebswirtschaft, eingeleitet mit der Bemerkung, hier sei es ein wenig kühler als im Hörsaal, dafür aber fänden hier alle einen Platz. Mehrfach entwickeln sich spontane Demonstrationen von Studenten beider Universitäten, die durch die Stadt ziehen, oder in Versammlungen an verschiedenen Institutionen weitere Formen des Protests erörtern.

1988

Der neue polnische Ministerpräsident Mieczyslaw F. Rakowski weilt auf Einladung seines DDR-Kollegen Stoph zu einem "Arbeitsbesuch" in Ost-Berlin. Er trifft DDR-Staats- und Parteichef Honecker zu einem Meinungsaustausch über internationale Fragen und führt mit dem Ministerratsvorsitzenden Stoph Gespräche über die ganze Skala der beiderseitigen Beziehungen. Bei einem Essen im Palais Unter den Linden bekräftigen Rakowski und Stoph in ihren Tischreden die unterschiedliche innen- und wirtschaftspolitische Linie ihrer Länder und Parteien. Läßt letztere keinen Zweifel an der "Weiterführung des bewährten Kurses" (vgl. 1./ 2. Dezember), bei dessen Verfolgung "wir die Erfahrungen der Bruderländer nutzen" wollen, so erklärt Rakowski unmißverständlich, von welch großer Bedeutung "für uns das Bewußtsein ist, daß die Richtungen der Reformen und der Erneuerung in Polen mit den Prozessen der Umgestaltung in der Sowjetunion übereinstimmen".

Beim traditionellen Jahresessen der Berliner Pressekonferenz im Hotel Steigenberger plädiert der belgische Außenminister Leo Tindemans für die Entwicklung einer gemeinsamen Haltung der zwölf EG-Staaten gegenüber der Reformpolitik in Osteuropa. Dabei unterstreicht er die Notwendigkeit, "zu einer klaren gemeinschaftlichen Beurteilung der entscheidenen Motive und der eventuellen Grenzen zu kommen". Mit Blick auf die für 1992 vorgesehene Realisierung des europäischen Binnenmarktes befürwortet er die Schaffung eines "sozialen europäischen Raumes" und weitere Fortschritte in der Währungspoltik, an deren Ende selbstverständlich die Schaffung einer europäischen Zentralbank stehen müsse. Am folgenden Tag erörtert Tindemans im Rathaus Schöneberg mit dem Regierenden Bürgermeister Diepgen die Perspektive in Europa nach der Verwirklichung des Binnenmarktes 1992, die Berlin-Initiative der Alliierten (vgl. 1. Dezember) und die innere Entwicklung Berlins.

1989

Seine Reise nach Oslo zur Entgegennahme des Friedens-Nobelpreises am 10. Dezember nutzt das im indischen Exil lebende geistige Oberhaupt der Tibeter, der Dalai Lama, auf Einladung von Parlamentspräsident Wöhlrabe zu einem Zwischenaufenthalt in Berlin. Er besucht zunächst das 1924 von einem Arzt errichtete "Buddhistische Haus" in Frohnau; beim Abstecher nach Ost-Berlin legt er am Mahnmal für das Jüdische Altersheim in der Großen Hamburger Straße einen Kranz nieder und trifft mit Vertretern verschiedener Oppositionsgruppen zusammen; nach einer Stadtrundfahrt durch den Westteil der Stadt erfolgt im Reichstag die Eintragung ins Goldene Buch, dann ein Gespräch mit den Franktionsvorsitzenden der im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien und schließlich eine als "privat" bezeichnete Zusammenkunft mit dem Regierenden Bürgermeister Momper im Rathaus Schöneberg, der den Dalai Lama noch zu dessen Vortrag in das Haus der Weltkulturen begleitet.

1989

Bei seinem Besuch in Moskau interpretiert Bundesaußenminister Genscher in seinen Gesprächen mit Staats- und Parteichef Gorbatschow sowie seinem Amtskollegen Schewardnadse den 10-Punkte-Plan Bundeskanzler Kohls (vgl. 28. November) und tritt Befürchtungen über einen "nationalen Alleingang" entgegen. Vielmehr bilde dieser Plan nur ein Angebot, über das zu entscheiden Sache der DDR sei.

DDR-Ministerpräsident Modrow und Kanzleramtsminister Seiters erreichen in Ost-Berlin (vgl. 20. November) eine Vereinbarung über die Errichtung eines Devisenfonds, in den DDR wie Bundesrepublik je 750 Mio. DM einzahlen, hinzukommen etwa 1,4 Mrd. DM aus Bonn, die der bisherigen Höhe der Visagebühren für Bundesbürger und West-Berliner sowie dem Mindestumtausch entsprechen, auf den die DDR ab 1. Januar 1990 verzichtet. DDR-Bürger können pro Jahr 200 DM umtauschen, davon 100 im Verhältnis 1:1, die anderen im Verhältnis 1:5, Kinder unter 14 Jahren sollen je zur Hälfte wechseln können.

Ost-Berlins Oberbürgermeister Krack empfängt den Regierenden Bürgermeister Momper zu einem ersten offiziellen - wenn auch "statusrechtlich" noch gar nicht möglichen, und deshalb auch nur im 27. Stock des "Hotel Berlin" am "Alex" stattfindenden - Gespräch, das der Auslotung von Möglichkeiten praktischer Zusammenarbeit dient. Sie vereinbaren konkret eine Reihe von Fachgesprächen zwischen Senatoren und Stadträten. Als Koordinatoren dieser Verbindung dienen der stellv. Oberbürgermeister Schmahl und Staatssekretär Schröder als Chef der Senatskanzlei.

Beim traditionellen Jahresessen der Berliner Pressekonferenz im Hotel Steigenberger befürwortet der Vörstandsvorsrizende der Daimler Benz AG, Edzard Reuter, unter dem Motto "Sicherheitspartnerschaft im ökonomischen Bereich" die beschleunigte Einführung einer einheitlichen Währung für die zwölf EG-Staaten. Denn aus derem Geltungsbereich heraus könne man "keine außenpolitischen Ausbrüche bewerkstelligen". Dies hält er besonders wichtig für all jene, die sicher sein wollten, daß der Weg des Zusammenwachsens von Bundesrepublik und DDR "niemals in eine Chance zu Alleingängen oder Sondertouren einmünden kann". Die DDR sollte sich aber schnell und umfassend für internationales Privatkapital öffnen, denn nur so würde sie "alles andere als nur Hinterhof, Billiglohnprovinz oder verlängerte Werkbank der Bundesrepublik".

1990

Der CDU-Landesvorsitzende und Kandidat für das Amt des Regierenden Bürgermeisters, Eberhard Diepgen, trifft mit dem SPD-Landesvorsitzenden und noch amtierenden Regierenden Bürgermeister Walter Momper zu einem Gespräch zusammen. Diepgen lädt Momper dabei förmlich zu Koalitionsverhandlungen ein. Momper informiert den CDU-Landesvorsitzenden über dringend anstehende Entscheidungen der Gesamtberliner Landesregierung, unter anderem über den Stand der Vorbereitungen für die Olympiabewerbung Berlins und die Gründung der Olympia-GmbH (vgl. 25. September), über den Stand der Ausschreibung des städtebaulichen Wettbewerbs zum Potsdamer Platz, über die Verhandlungen mit Bonn zum Thema Berlin-Förderung, über die Diskussion zum Thema Regierungshauptstadt Berlin und über die geplante Entscheidung der Landesregierung über die Zukunft nachgeordneter wissenschaftlicher Einrichtungen im Ostteil Berlins.

1991

Die Bezirksverordnetenversammlung Prenzlauer Berg von Berlin beschließt in ihrer 25. Sitzung (1. Wahlperiode) die Beseitigung des Kampfgruppen-Denkmals ? eine Denkmalanlage mit Reliefwänden und einer aus einem bewaffneten Kämpfer und zwei Arbeitern bestehenden Figurengruppe aus Bronze ? an der Hohenschönhauser Straße (am Rande des Volksparks Prenzlauer Berg) bis zum 31. Januar 1992. Das Monument muß vorher noch von der Denkmalliste gestrichen werden.

1991

Das Abgeordnetenhaus berät in seiner 20. und 21. Sitzung (12. Wahlperiode) den Landeshaushaltsplan 1992, der erste ordentliche Landeshaushaltsplan für ganz Berlin. (Vgl. 10. Oktober.) Er wird mit den Stimmen von CDU und SPD verabschiedet. PDS, Bü 90/Grüne und F.D.P. stimmen gegen das 41,75 Milliarden DM umfassende Zahlenwerk. Der Etat wächst gegenüber 1991 um 4,6 Prozent. Er ist gekennzeichnet durch eine um 1,3 Milliarden DM auf 13,1 Milliarden DM gesunkene Bundeshilfe und durch die neue Rekordverschuldung von netto 5,8 Milliarden DM.
   In der Generaldebatte wendet sich der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen energisch gegen den raschen Abbau der Bonner Finanzhilfen für Berlin. Ohne die Fortsetzung der Zuschüsse aus dem Fonds "Deutsche Einheit" in der bisherigen Höhe und ohne die Verlängerung der Bundeshilfe seien die Aufgaben der Stadt in der schwierigen Übergangsphase nicht zu bewältigen.
   Den Etatplan bezeichnet Diepgen als einen Sparhaushalt, bei dem das Land Berlin an die Grenzen des Möglichen gegangen sei. Ziel des Senats sei vor allem die Angleichung der Lebensverhältnisse, die Schaffung neuer Arbeitsplätze und die Förderung des Wohnungsbaus.
   Die Oppositionsfraktionen üben scharfe Kritik an der Senatskoalition, der sie Unfähigkeit vorwerfen, die Probleme zu bewältigen. Die PDS spricht von einem Etat der sozialen Ungerechtigkeit und mahnt eine aktivere Arbeitsmarktpolitik an. Die Fraktion Bü 90/Grüne bemängelt den vorgesehenen Abbau von 10 000 Stellen im öffentlichen Dienst. Die F.D.P. fordert einen wesentlich verkleinerten Senat.
   Das Abgeordnetenhaus lehnt in seiner 20. Sitzung einen Mißtrauensantrag gegen Wissenschaftssenator Manfred Erhardt ab. Für den von der PDS eingebrachten und mit einer "Rufmordkampagne" Erhardts gegen den Rektor der Humboldt-Universität, Heinrich Fink, begründeten Antrag stimmen lediglich 18 Abgeordnete; 183 stimmen dagegen; 23 enthalten sich. (Vgl. 29. November.) Der Abgeordnete Sebastian Pflugbeil von der parlamentarischen Gruppe "NEUES FORUM/Bürgerbewegung" begründet anschließend in einer persönlichen Erklärung seine Stimmenthaltung mit den Worten, die Stasi-Probleme ließen sich nicht mit der Stimmkarte lösen. Das Thema sei ihm aber keineswegs gleichgültig.
   Das Abgeordnetenhaus wählt in seiner 20. Sitzung Horst Grysczyk (SPD), Abteilungsleiter in der Senatsverwaltung für Finanzen, zum Präsidenten des Rechnungshofs von Berlin. Er löst Ulrich Müller (SPD) ab, der seit 1973 Rechnungshofpräsident war.

1992

In Potsdam verständigt sich die gemeinsame Regierungskommission von Berlin und Brandenburg in mehrstündigen, zähen Verhandlungen über Eckwerte für die Vereinigung der beiden Bundesländer Berlin und Brandenburg. (Vgl. 1. Dezember.) In einem gemeinsam erarbeiteten Papier fordert die Regierungskommission die beiden Länderkabinette zu unverzüglichen Verhandlungen über einen Neugliederungs-Staatsvertrag auf. Ein Entwurf soll bereits im Herbst 1993 vorgelegt werden. In der Erklärung werden der Erhalt des Berliner Stadtstaaten-Privilegs im Rahmen des Länderfinanzausgleichs und Übergangsregelungen für kurzfristig nicht abbaubare Teilungslasten Berlins gefordert. Die Kommission empfiehlt die Erarbeitung eines Aktionsprogramms zur gemeinsamen Extremismusbekämpfung, Wirtschaftsförderung und verkehrspolitischen Zusammenarbeit.
   Neben der Empfehlung für eine Vereinigung von Berlin und Brandenburg wird eine Erklärung angenommen, in der beide Seiten erläutern, warum sie eine Fusion für unabdingbar halten.

Verkehrssenator Herwig Haase eröffnet offiziell die provisorische Umfahrung des Brandenburger Tores. Der aus dem Ostteil der Stadt kommende Verkehr wird über die Straße Unter den Linden, Neustädtische Kirchstraße, Clara-Zetkin-Straße, Ebertstraße zur Straße des 17. Juni geleitet. Aus dem Westteil kommend, müssen die Autos über die Straße des 17. Juni, Ebert-, Behren-, Glinkastraße zur Straße Unter den Linden fahren. Gesteuert wird der Verkehr durch neue oder umgebaute Ampeln.
   Haase würdigt die neue Ost-West-Verbindung als Wiedergewinnung eines Stücks Normalität. Damit solle eine Verflüssigung des Verkehrs erreicht und der tägliche Stau am Brandenburger Tor aufgelöst werden. Der Senator betont, daß die Umfahrung keine endgültige Lösung sei.

Beim Jahresessen der Berliner Pressekonferenz würdigt die irische Staatspräsidentin Mary Robinson die internationale Bedeutung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland für die Sicherung der Menschenrechte. Sie sagt, daß der Umfang der deutschen Garantien der Menschenrechte in der Verfassung eine Eingebung für den Rest Europas sein sollte.

1993

Der Schriftsteller Edgar Hilsenrath und der Journalist Joachim Wagner erhalten im Jüdischen Gemeindehaus in Berlin-Charlottenburg den diesjährigen Preis der Heinz-Galinski-Stiftung. Hilsenrath wird für sein Lebenswerk geehrt. Seine Romane behandeln die Judenverfolgung in der NS-Zeit. Wagner, der das NDR-Magazin "Panorama" leitet, widmete sich vor allem der Verarbeitung des Nationalsozialismus im politischen und gesellschaftlichen Alltag in der Bundesrepublik.

1994

Der Kulturausschuß des Abgeordnetenhauses spricht sich dafür aus, in Berlin-Schöneberg ein Denkmal für die Schauspielerin und Sängerin Marlene Dietrich zu errichten. 1995, wenn der 100. Geburtstag des Films in Berlin gefeiert werde, sei das richtige Jahr für eine solche Ehrung, sagt der F.D.P.-Abgeordnete Peter Tiedt. Das Geburtshaus von Marlene Dietrich steht in der Leberstraße in Berlin-Schöneberg; gestorben ist sie am 6. Mai 1992 in Paris; beerdigt wurde sie auf dem Friedhof an der Stubenrauchstraße in Berlin-Friedenau.

1995

Der Vorstandsvorsitzende der BVG, Rüdiger vorm Walde, kündigt an, daß die Berliner U-Bahnhöfe von "dunklen Löchern, die niemand so recht benutzen mag", zu Einkaufszentren umgestaltet werden sollen. Als Pilotprojekte sind von der BVG die U-Bahnhöfe Jannowitzbrücke, Lichtenberg und Rathaus Steglitz ausgewählt worden. Die S & P Handels- und Verwaltungsgesellschaft mbH aus Wahlstedt in Schleswig-Holstein wird in die drei Bahnhöfe etwa 25 Millionen DM investieren. Dafür entstehen Räume für Dienstleister wie Banken oder Verkaufsräume der BVG, Lebensmittelgeschäfte, Zeitschriften- und Lottoläden. Die ersten Geschäfte sollen Ende 1996 im Bahnhof Lichtenberg fertig sein.

1996

In Prag unterzeichnen der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen und der Primator der tschechischen Hauptstadt, Jan Koukal, eine Vereinbarung über den Ausbau der seit 1995 bestehenden Städtepartnerschaft. Die Kooperation sieht den Informations- und Erfahrungsaustausch auf den Gebieten Stadtentwicklung, Regionalplanung, Umweltschutz, Wirtschaftsförderung, Verkehr, Kriminalitäts- und Drogenbekämpfung, öffentliche Verwaltung, Bauplanung sowie im Bereich öffentlicher Verkehr vor.

In unmittelbarer Nähe des Reichstagsgebäudes - am Reichstagufer - legen die Intendanten des Senders Freies Berlin, Günther von Lojewski, und des Westdeutschen Rundfunks, Fritz Pleitgen, im Beisein von Bundesbauminister Klaus Töpfer und Regierungssprecher Peter Hausmann den Grundstein für das neue Hauptstadtstudio der ARD. Der rund 140 Millionen DM teure Bau soll im Jahre 1999 bezogen werden.

1997

Im Alter von 62 Jahren stirbt in Berlin der Gesellschaftstheoretiker Rudolf Bahro. Er galt als einer der bekanntesten DDR-Dissidenten. Von 1959 bis 1977 war er in der DDR Partei-, Gewerkschafts- und Wirtschaftsfunktionär. Mit der 1977 in der Bundesrepublik Deutschland veröffentlichten Studie "Die Alternative, Zur Kritik des realexistierenden Sozialismus" übte er von einer marxistischen Position aus Kritik am wirtschaftlichen und politischen System der DDR. Wegen der Veröffentlichung dieses Buches in der DDR inhaftiert, konnte er 1979 in die Bundesrepublik übersiedeln. Dort war er 1980 Gründungsmitglied der Partei "Die Grünen" (1985 Parteiaustritt). 1989 wurde Bahro noch einmal Bürger der DDR. 1990 erhielt er an der Humboldt-Universität Berlin eine außerordentliche Professur für Sozialökologie.
Bahro wird am 12. Dez. auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin-Mitte beigesetzt. Mehr als 100 Trauergäste nehmen teil. Der ehemalige Rektor der Humboldt-Universität, Heinrich Fink, hält die Grabrede.

2000

Wie die "Berliner Morgenpost" berichtet, ist die aufwendige Restaurierung des neobarocken "Kaisersaals" und weiterer Prunkgelasse des früheren Hotels Esplanade auf dem Sony-Gelände am Potsdamer Platz jetzt abgeschlossen.

2006

Im Zoologischen Garten Berlin bringt Eisbärin Tosca Junge zur Welt, Vater ist Bär Lars. Ein Tier stirbt, Pfleger Thomas Dörflein rettet das zweite, das den Namen Knut erhält. 33 Jahre ist es her, dass im Berliner Zoo ein Eisbärjungtier aufwuchs.
Die Aufzucht des kleinen Eisbären durch seinen Ziehvater Dörflein bewegt in den folgenden Monaten Menschen in der ganzen Welt.

2009

Mit einer großen Gala im Hotel Estrel in Neukölln werden Berlins Sportler des Jahres geehrt. Sportlerin des Jahres ist die Schwimmerin Britta Steffen, Sportler des Jahres der Boxer Arthur Abraham, beste Mannschaft sind die Eisbären Berlin (vgl. 15. April), und bester Trainer ist der Boxtrainer Ulli Wegner.

2013

Der SPD-Politiker, Ehrenbürger von Berlin und Friedensnobelpreisträger Willy Brandt (1913–1992), einst Regierender Bürgermeister von Berlin, Bundesaußenminister und Bundeskanzler, wäre am 18. Dezember 100 Jahre alt geworden. Dies ist der Anlass für eine »Hommage an Willy Brandt« im Plenarsaal des Abgeordnetenhauses, zu der der Präsident des Abgeordnetenhauses, Ralf Wieland, der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und die Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung gemeinsam eingeladen haben. Auf der Gedenkveranstaltung sprechen Wieland, Wowereit und der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, Kuratoriumsvorsitzender der Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung. In einem Zeitzeugeninterview blickt der Berliner Ehrenbürger Egon Bahr, SPD-Politiker und Bundesminister a. D., auf seine Freundschaft und Zusammenarbeit mit Willy Brandt zurück. Am 18. Dezember findet am Grab von Willy Brandt auf dem Waldfriedhof Zehlendorf eine Kranzniederlegung statt, an der unter anderen Sigmar Gabriel, Vizekanzler und SPD-Vorsitzender, der Kuratoriumsvorsitzende der Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung, Thierse, der Regierende Bürgermeister Wowereit, Parlamentspräsident Wieland und der Berliner SPD-Landesvorsitzende Jan Stöß teilnehmen.

2015

Berlins Sportler des Jahres werden auf einer glanzvollen Gala in der Estrel Convention Hall II in Neukölln gekürt. Sportlerin des Jahres ist Lena Schöneborn (Weltmeisterin Moderner Fünfkampf), Sportler des Jahres Arthur Abraham (Weltmeister im Boxen, WBO), Mannschaft des Jahres sind die Füchse Berlin (Gewinner Handball-EHF-Pokal und IHF Super Globe) (siehe 17. Mai), Trainer/Manager des Jahres ist Pal Dardai (Fußball, Hertha BSC).


Zitierform: Berlin - Chronik. Online-Version : Hrsg. vom Landesarchiv Berlin. - URL: http://www.berlin-chronik.de (Stand: 05.12.2023)